Die Sage vom Dertinger Schmied

„Schmiedstein“ – Gedenkstein für den „Dertinger Schmied“ ?

Ein Mädchen von Dertingen war durch seine Schönheit weit und breit berühmt geworden und hatte über eine Anzahl von Verehrer und Freier zu gebieten. Durch den vielen Weihrauch aber, den man ihr zu weihen gut fand, wurde sie stolz und übermütig. Keiner ihrer Anbeter wollte ihr so recht gefallen. An dem einen vermißte sie dies, an dem anderen das, der war zu arm, der zu häßlich. Der dritte war nicht lustig genug oder zu tot, wie man zu sagen pflegte. Kurzum, an jedem wußte sie etwas auszusetzen.

Endlich schien der Schmied am Ort, ein junger braver Mann, trotz seines rußigen Gesichts, Eindruck auf ihr sprödes Herz zu machen und sie verlobte sich mit ihm, denn er war nicht übel von Wuchs, besaß Geld und Gut. Auch an Kundschaft fehlte es nicht bei ihm. Er hatte sogar die Ehre, die Rosse des Grafen von Wertheim beschlagen zu dürfen. Dies alles machte ihn zum Sieger in der Gegend und die übrigen Freier mußten mit langen Nasen abziehen.

Das Glück des Schmieds fand aber viele Neider. Mancher der Abgewiesenen schwur, vor Eifersucht aufgestachelt, dem glücklichen Liebhaber Rache, worauf dieser es geraten fand, sich mit einer Waffe zu versehen, um etwaigen Angriffen wohl begegnen zu können. Die Waffe, mit der er am besten umgehen konnte, war sein Hammer. Diesen trug er überall wo er ging und stand mit sich; des werktags im Schurzfell, des sonntags im Wams. Und als ihn dennoch einige Burschen auf seinen Gängen des Nachts überfielen, schlug er so tapfer um sich, daß der Bader von Neubrunn mehrere Monate lang Dertinger Köpfe zu verbinden hatte und fürderhin keiner der Verehrer es wagte, der Geliebten Aufmerksamkeit zu beweisen, oder mit ihr zu tändeln.

Der schönen Dirne aber gefiel dies, denn die Schönen auf dem Lande haben die nämlichen Launen wie die in der Stadt, sehr übel, als der gewohnte Kreis der Anbeter sich in bescheidene Entfernung zurückzog und wurde darum halb unzufrieden mit ihrem starken und mutvollen Bräutigam.

Daher hatte ein keckes Müllerbürschchen bei dem launischen Mädchen bald gewonnenes Spiel und es handelte sich nur noch darum, wie der Gefürchtete von der Falschen abgeschreckt werden könnte. Eine tüchtige Tracht Schläge, meinte der weißbestäubte Nebenbuhler, dürfte auf den rußigen Gesellen schon gute Wirkung haben, wenn nur der Hammer nicht wäre.

Da erbot sich die Treulose, den Schmied zu überreden, daß er den Hammer nicht mehr mit sich schleppen sollte. Sie tat daher ihm vor, wie gefürchtet er sei, wie keiner ihrer früheren Verehrer ein Wort mit ihr zu reden wage und bat ihn endlich, den schweren Hammer für die Zukunft zu Hause zu lassen, da dieser unter solchen Umständen doch nur eine ermüdende Last sein könne.

Das Ende vom Lied war, daß der Schmied in seiner Arglosigkeit nach dem Willen der Geliebten tat und so in die listig gestellte Falle ging.

An einem Sommerabend, als er mit der Treulosen wohlgemut und unbewaffnet einen Spaziergang in den Weinbergen den Trieb naus gegen Zell zu machte, rauschte auf einmal der tückische Nebenbuhler, in der Hand einen schweren Bengel, hinter den Rebstöcken hervor und versetzte dem unversehens Überfallenen so derbe Hiebe über den Kopf, daß er sogleich tot nieder stürzte.

Das hatte der Müllerbursche nicht beabsichtigt, aber getan war getan. Furcht und Gewissensangst ergriff ihn und seine Mitschuldige. Sie begaben sich auf die Flucht, und niemand weiß, wo sie hin gekommen sind.

Der Schmied dessen Leichnam man am anderen Tag fand, wurde allgemein bedauert. Die ganze Gemeinde war bei seinem Begräbnis zugegen und beschloß, ihm auf dem öffentlichen Sockel ein Denkmal auf der Stelle zu setzten, wo er sein junges, frisches Leben hatte verbluten müssen.

Dieses Denkmal steht noch jetzt. Es ist ein Bildstein, worauf unten der Schmied ausgehauen ist, wie er flehend die Hände empor streckt und um fröhliche Umstände betet, oben darüber ist ein Hufeisen und das Wappen der alten Grafschaft von Wertheim abgebildet.

Noch jetzt geht unter den Bewohnern Dertingens folgender Reim, auf die Geschichte sich beziehend, von Mund zu Mund:

Schmied, Schmied, Schmied,
nahm dei Hammerla mit,
häst dei Hammerla mitgenomma,
wärst du nit ums Lawa kumma,
Schmied, Schmied, Schmied,
nahm dei Hammerla mit.